Diese Sache in Paris war wirklich zu ärgerlich. Sie hatte seine Reputation beschädigt und würde es ihm schwer machen, an seine früheren Erfolge anzuknöpfen. Selbst, wenn es ihm gelang, das Finanzielle zu regeln. Ägypten, dachte Adam, während seine Finger nach dem Schieferamulett mit dem heiligen Ibisvogel tasteten, das er um seinen Hals trug. Wahrscheinlich ist es ein Fingerzeig des Schicksals. Wenn ich das hier geregelt habe, werde ich nach Ägypten reisen, zu den Pyramiden und den Quellen der Magie, und werde verwandelt zurückkehren.
Christiane Wachsmann, Lilits Töchter, Kapitel 1
Das Leben des Adam Alexander Klimmisch
Adam Alexander Klimmisch wird im Jahr 1810 in Elberfeld geboren. Seine Mutter Amalie Auguste Lilienthal ist die Tochter eines Stoff-Fabrikanten und glühende Pietistin, sein Vater Eugen Klimmisch Sohn eines Frankfurter Kaufmanns. Das Ehepaar lebt für einige Jahre in Elberfeld, später in Frankfurt, bevor Eugen Klimmisch den alten Eisenhammer an der Blasse kauf und eine eigene Färberei in Tessen aufbaut (1825).
Adam bleibt das einzige Kind seiner Eltern. Seine Mutter behütet ihn und schirmt ihn von allen realen und eingebildeten Gefahren ab; in ihren Augen war er viel zu „zart“, um das Familienunternehmen zu leiten.
Adam ist 15 Jahre alt, als die Familie aus Frankfurt in das abgelegene Tessen übersiedelt und fühlt sich dort reichlich fehl am Platze. Er freundet sich mit dem sehr viel älteren Lucien Samuel Hemer an, einem Cousin des Tessener Apothekers, der im Alchemistenturm lebt und von dem Adam die Leidenschaft für Alchemie und Okkultismus übernimmt. Dort trifft er auch die neun Jahre jüngere Fanny Rotmund, ein lästiges kleines Mädchen, mit dem er nichts zu tun haben will.
Seine Mutter, eine äußerst sittenstrenge Frau, organisiert in ihrem Haus Bibellesungen und unterstützt missionarische Tätigkeiten, ihr Denken ist von apokalyptischen Vorstellungen geprägt, die Adam in sich aufnimmt.
Studium und Übersiedlung nach Paris
Mit 20 Jahren beginnt Adam in Göttingen ein Studium der Medizin. Ein Jahr später siedelt er nach Paris über, wo er halbherzig mit einem Chemie-Studium beginnt und sich auch ein Labor einrichtet, vor allem aber als vermögender Erbe auftritt und in dieser Eigenschaft ein recht ausschweifendes Leben führt.
1832 tritt Adams Cousin Robert Marl in die Firma von Eugen Klimmisch ein und wird bald zu dessen rechter Hand. Über eine Rückkehr von Adam in das väterliche Unternehmen wird zwar noch gesprochen, es glaubt aber niemand mehr so recht daran. Als Eugen Klimmisch 1833 stirbt, vermacht er die Firma Robert Marl; sein Sohn erhält eine ordentliche Abfindung.
Bei einem Besuch 1834 in Tessen überwirft sich Adam mit seiner Mutter. Sie ist empört über seinen unsoliden Pariser Lebenswandel: Von einem einigermaßen interessierten Medizin- und später Chemiestudenten hat er sich zu einem vor allem literarisch interessierten Bummelanten gewandelt. Ihr Pietistenherz kann das nicht gutheißen. Andererseits hängt sie an ihm und sieht in ihm immer noch ihren kleinen Jungen. Durch sein Erbe ist er finanziell gut ausgestattet und führt in den nächsten Jahren sein Pariser Leben weiter. Dort besucht ihn 1838 Fanny, von deren Arbeit und Ausstrahlung er inzwischen fasziniert ist.
1839 hat Adam sein Erbe durchgebracht. Er kehrt nach Tessen zurück, wo er sowohl bei Robert Marl als auch bei seiner Mutter versucht, an Geld zu kommen.
Er lässt sich im alten Hemerschen Turm nieder und schreibt einen Roman, der in Tessen spielt und das Leben des Johann Georg Faust zum Thema hat: Der soll um das Jahr 1507 eine Zeit lang im Alchemistenturm gelebt haben. Überraschenderweise wird das Buch ein Erfolg, so dass Adam genug Geld hat, um sich 1841 wieder nach Paris absetzen zu können.
Fanny besucht Adam ein weiteres Mal in Paris und kommt 1844 mit ihrer zweijährigen Tochter Selene dorthin, um sich endgültig niederzulassen. Adam und sie haben allerdings nicht mehr viel miteinander zu tun. Adam schreibt weitere mehr oder weniger erfolgreiche Romane, macht Schulden bei Freunden und Fremden und schlägt sich durch. Gleichzeitig macht er sich einen Namen als großer Magier und Zauberkundiger. Bei einer Séance kommt es 1862 zu einem Zwischenfall, der Adam als Betrüger entlarvt. Fluchtartig und vollkommen abgebrannt verlässt er Paris.
Adam 1862
Adam ist 52 Jahre alt, fast 1,90 m groß und schwer gebaut, aber nicht dick. Seine Augen sind stechend blau. Schütteres aschfarbiges Haar, hohe Stirn, fleischige Ohrläppchen. Er trägt einen mäßig zurechtgestutzten Bart. Auf seine Kleidung legt er großen Wert, schnippst immer mal wieder einen Staubfussel ab und bevorzugt nur die besten Stoffe. Gleichzeitig ist er ein wenig schmuddelig und riecht nicht gut.
Er ist nicht mehr so beweglich wie in seiner Jugend und gerät auf den Stufen im Alchemistenturm leicht mal außer Atem. Auch hat er dann und wann ein Stechen in der Herzgegend, was ihn dazu bewegt, sich seiner „zarten Konstitution“ wegen immer ausführlich ausruhen zu müssen. Adam kann sich gut in andere Menschen einfühlen und sie manipulieren, zeigt aber wenig Mitgefühl. Um seine Ziele zu erreichen, ist er bereit, anderer Leute Seelen zu verkaufen.
QUellen
Vorlage für das Bild von Adam Klimmisch sind zwei Fotografien: Eine des französischen Schriftstellers und Okkultisten Éliphas Lévi, der im selben Jahr wie Adam geboren ist, die andere von Aleister Crowley, dem selbst ernannten Magier (1875-1947), dem Somerset Maughan mit seinem Buch „Der Magier“ eine reichlich gruselige Geschichte widmete. Beider Leben diente auch als Anregung für meine Figur. Eliphas gab zusätzlich seinen Namen für den Poltergeist.
Weitere Anregungen erhielt ich aus dem Lebenslauf von Friedrich Engels (1820-1895) mit seinen pietistischen Wurzeln. Manuel Gogos beschreibt dieses Phänomen sehr gut in einem Beitrag des Deutschlandfunks von 2013.